
Nobel geht die Welt zugrunde? Pornöse-Accessoires auch im Kleinwagen? Mitnichten! Oder besser: nicht mit mir!
Okay, von Anfang an. Sie wissen, ich schätze bei Youngtimern skurile Ausstattungsdetails. Diese lassen die Bemühung der Hersteller erkennen, um die Gunst und das Geld der Kunden zu werben. Immer neue Dinge hatte man sich ausgedacht. Ein Großteil des Krams verschwand still und heimlich, ein kleiner Teil wurde zum Standard aller folgenden Modellgenerationen. Ein Stichwort: Blinker im Aussenspiegel.
Also, Klapptischchen im Jaguar gefällig? Klar doch! Röhrenfernseher im Armaturenträger des Mercedes W126? War damals cooler Luxus! Beheiztes Lenkrad im BMW E60? Dekadent, aber cool.
Derzeit und mit wachsender Tendenz läßt sich jedoch in den Ausstattungskatalogen der Hersteller allerlei Zeug finden, was weder cool ist, noch cool werden wird. Selbst dann nicht, wenn diese Autos irgendwann mal Youngtimer werden. Sie sehen, ich verlasse in diesem Beitrag mein liebstes Thema, das Altblech. Ich fühle mich allerdings bewogen, hier mal einen wachsenden Trend kritisch anzumerken und vor allem die Fragen zu stellen: Sehen Sie das genauso, oder bin ich hier allein mit meiner Wahrnehmung?
Genug des Vorgeplänkels. Wie schon angedeutet, geht es um Sonderausstattungen aktueller Autos, die viel Bling-Bling versprechen, jedoch an Kitsch und Stillosigkeit nicht mehr zu übertreffen sind. Ich nenne gleich auch Beispiele, aber gestatten Sie mir einen kurzen Anlauf. Es gibt einige, sogenannte Edeltuner, wie beispielsweise Mansory. Die versuchen, Edelkarossen noch edler zu machen. Das geht heutzutage aber nicht über Understatement, sondern schlicht durch zwanghaftes Auffallen. Jemand der schon alles hat, muss eben Auffallen um jeden Preis, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Zugegebenermaßen ein Problem, welches der Normalverdiener eher nicht hat. Aber es geht um Stil und um das Prinzip dahinter. Das betrifft jeden. Wie das dann Realität gewordenen Automobil aussieht, kann man auf der Webseite von Mansory eindrucksvoll sehen.
Ist das stilvoll? Ähm…präpubertierend wäre treffender, wie ich finde. Man könnte den zuerst abgebildeten Bentley „Vitesse Rosé“ (O-Ton Mansory) noch für einen Werbeträger von Hello Kitty Produkten halten. Wäre irgendwie nachvollziehbar. Soll er aber nicht sein. Einzig und allein für die Olle eines russischen Oligarchen sind diese Ausgeburten der Hässlichkeit gebaut…oder vom Stil her betrachtet vielleicht noch für den Reste-Rampe-Promi Dieter Bohlen, aber der kann sich sowas nicht leisten. Die „Veredelung“ dieser Wagen kostet nämlich nochmal soviel wie das Basismodell. Die Oligarchen-Olle kann sich also nicht aus Versehen so einen Wagen von ihrem Alten erschnorren. Das reißt ganz bewußt und in voller Absicht ein Loch ins Krokodilleder-Portemonnaie.
Wer diese Art von Stillosigkeits-Bling-Bling jetzt in die Belanglosigkeit der Kleinserienhersteller befördern will, dem sei Achtung geboten. Denn jetzt kommt das Kernproblem. Aus den genannten Intentionen versuchen Hersteller aktueller Volumenmodelle genau das Gleiche. Hier in Form von Bling-Bling-Accessoires, verpackt als Sonderausstattung. Wie es scheint, allen voran Mercedes.
Da gibt es den „Diamond Grille“ (Kühlergrill mit schwebenden Kristallen) für die moderne Frau von heute, die vielleicht ohnehin schon verblendet ist, weil sie in einen Pott Swarovski Kristalle gefallen ist. Oder da wäre das „Air Balance Paket“, welches einen Innenraumbedufter beinhaltet, der über die Lüftung irgendeinen wählbaren Gestank verbreitet, welcher die Insassen binnen Minuten in Zombies verwandelt oder zumindest für migräneartige Kopfschmerzen sorgt. Verfügbare Duftmarken sind: Maulbeerblatt, Sportlersocke oder feuchte Borstentierschamhaare.
Natürlich sind das nur zwei Ausstattungsbeispiele, es gibt ein Duzend weitere. Und das nur bei Mercedes. Da wird auch vor dem Kristallfetisch selbst in der Außenbeleuchtung nicht Halt gemacht. Das wiederum ist noch gar nichts gegen die Blinker-Animation einiger aktueller Audi Modelle, bei welcher man den Eindruck bekommt, der Fahrer spielt Snake auf seinem alten Nokia Handy und das Display wird dabei im Blinker dubliziert.
Was mir am meisten Sorge bereitet: Ein Angebot ist meist nur dort, wo auch eine Nachfrage herrscht. Wer kauft dieses überflüssige und zudem stillose Zeug also? Welcher von diesen ganz normal aussehenden Menschen setzt das Kreuzchen beim „Air Balance Paket“ in der Bestellung seiner geleasten S-Klasse? Es ist ja nicht so, dass diese lächerlichen Sonderausstattungen nur den Zweck haben, den entgültigen Beweis zu führen, dass diese Menschen den Verstand verloren haben…also, ich meine auch schon vor der Inhalation eines Duftflakons aus dem Air Balance Paket…nein, diese Dinger kosten auch noch richtig viel Geld. Für die Möglichkeit, einmal die Gestanksrichtung „Biotonne bei 30 Grad Aussentemperatur“ zu erleben, sind Menschen anscheinend wirklich bereit 440,30 EUR auszugeben.
Ich hoffe, wir werden uns bei einer derart ausgestatteten S-Klasse in 20 Jahren auf dem Hof des Fähnchenhändlers einfach nur die Hose vor Lachen einnässen und uns Anekdoten über den mißglückten Versuch erzählen, solche Ausstattungen zurechnungsfähigen Leuten für viel Geld unterzujubeln. Sie stimmen mir doch zu? Oder haben Sie etwa selbst schon zuviel am Duftflakon geschnüffelt? Schreiben Sie mir!
[Bildnachweis: Wenn nicht anders angegeben: Daimler AG (2017), www.mercedes.de]
Mit Klappscheinwerfern kann lediglich mein 1970 Chrysler 300 aufwarten. Beim MX-5 habe ich mich wegen des Saisonbetriebs bewusst gegen die erste Serie (mit Klappscheinwerfern) entschieden. Die sind mir mittlerweile einfach zu schade, um sie im Winteralltag zu verbrauchen.
Mein Toyota Sera kann lichttechnisch für sich verbuchen, eines der ersten Serienfahrzeug mit Projektionsscheinwerfern gewesen zu sein. Geklappt wird da allerdings nix.
Verstehe…und verständlich. Beim Toyota habe ich doch glatt auf Klappscheinwerfer getippt. Wieder was gelernt.
@ Falcon, du alter Wämser: Wäre es nicht spätestens jetzt mal an der Zeit, auch deine klappbaren Highlights der automobilen Sammelkunst vorzustellen? So mit Historie und so…weiße, ne?
Definitiv einen Blick wert! Ich muss gestehen, da auch bei weitem nicht umfassend bewandert zu sein, aber weitere mir geläufige Lichtspielereien wären etwa das Dodge Super-Lite der Modelljahre ’69/’70 oder das Kurvenlicht, das prominent im Tucker ’48 und der Citroën DS (zuvor aber bereits auch von Cadillac und Tatra) eingesetzt wurden.
Und dann wäre da noch das – aus meiner Sicht – bedauernswerte Verschwinden der Klappscheinwerfer und Scheinwerferabdeckungen über die man mal sinnieren könnte…
Dann heißt es jetzt, erst mal sammeln. Skurriles aus der Welt der Lichtspielereien. Ich nehme das mal auf. Da gibt’s auch den Autolichtblog u.a. von Sandmann. Hin und wieder eine nette Inspiration zum Thema. Ja, und speziell das Sterben der Klappscheinwerfer sollte man mit einem Nachruf versehen. Hast du nicht sogar Anschauungsobjekte im Fuhrpark? So Richtung Toyota und Mazda?
Was die schon dagewesenen Bling-Bling-Details früherer Zeit angeht, so bin ich beeindruckt. Was da alles schlummert, ist mir noch gar nicht bekannt.
Ich habe Einblick in eine Sammlung der amerikanischen Beleuchtungsinnovationen von Kombiinstrumenten zwischen den 50ern und 70ern. Viel mehr kann ich bisher nicht aufweisen.
Wäre es nicht mal an der Zeit, das ganze Thema journalistisch umfassend aufzubereiten?
Danke für die Kommentare!
So gesehen, würde ich natürlich in 20 Jahren den Duftspender beim Fähnchenhändler bevorzugen. Aber dann gibt es es zum Glück für diese Systeme keine Ersatzkartuschen mehr. Höchstens noch diese eine, die seit 15 Jahren im Spender festgegammelt ist, weil sie ausgelaufen ist und mit ihrer Umwelt eine untrennbare Einheit gebildet hat.
Aber den Hello-Kitty-Bentley lass ich stehen! Komme was wolle!
Ha! Alles schon dagewesen. Duftpaket für die Klimaanlage? Gab’s Anfang der ’90er bei Toyota für einige JDM-Modelle gegen ca. 32000 JPY Aufpreis. Nannte sich damals „Air Fantasy“ und ist heute aufgrund seiner Skurrilität extrem gesucht.
Und auch die Lauflicht-Blinker einiger aktueller Fahrzeuge sind keine wirklich neue Erfindung: Ford und Chrysler verkauften bereits in den späten ’60ern Autos mit „sequential turn signals“ (damals natürlich noch mit Mechanik!). Auch dieses relativ seltene Feature trifft bei Interessierten heute eigentlich durchweg auf Begeisterung.
So gesehen sind mir all die ausgefallenen Extras wesentlich lieber als der viel verwerflichere Trend zum Einheitsbrei der Ausstattungslinien „Trend“, „Sport“, „Comfort“ und wie sie alle heißen.
Aber ist der Duftspender nicht der Röhrenfernseher der Neuzeit?
Genau dein Beispiel:
In 20 Jahren stehen beim Fähnchenhändler zwei identische Wagen. Einer mit Duftspender einer ohne. Welchen würdest du nehmen?
Also ich würde sofort zum Spender greifen. Ausstattungsporn galore!
Ich glaube, bei mir bekommt Skoda den Pokal der Nützlichkeit mit dem Regenschirmhalter mit Abtropffunktion in der Türverkleidung.
Lenkradheizung ist mein liebstes Accessoire