
Hola,
heute geht es um eine neue Episode der Bastelaktion am jüngst erstandenen Mercedes E 55 AMG. Ich erwähnte ja bereits, dass Kleinigkeiten an dem Wagen noch repariert werden, um ihn der kleinen Youngtimer-Sammlung zuführen zu können. Außerdem: mal ehrlich, eine Karre kaufen ohne daran basteln zu müssen? Pfff. Da der Vorbesitzer bereis das chronische Rostleiden dieses Modells beseitigt hat, sind keine aufwändigen Dinge zu befürchten – dachte ich. Mehr dazu später. Zunächst bereits getauscht habe ich:
Luftfilter – 2 Stück
Innenraumfilter – 4(!) Stück (die alten Filter sind bereits unter das Artenschutzgesetz gefallen und ich hätte ihnen Namen geben können)
Außenspiegelglas links (hatte einen Sprung)
Regler des Klimatronik-Gebläses (Gebläsestufen waren etwas durcheinander)
Umrüstung des prähistorischen APS (Auto Pilot Systems – erstes Navi von Mercedes) mit Display im ISO Format und Laufwerk inkl. Rechner im Kofferaum. Getauscht wurde gegen ein ebenso orginales, aber weit besseres System – das Audio APS 30 mit neuem Europa-Kartensatz. Zusätzlich habe ich noch eine GPS Antenne besorgt und diese an eine geradezu dafür prädestinierte Stelle unter einer Abdeckung des Armaturenbretts installiert:
So weit, so gut. Bei der Installation des neuen Spiegelglasses fiel mir die Verkabelung im Spiegelgehäuse auf. Von ungefähr einem Duzent kreativ verlegter Leitungen waren bei gut der Hälfte die Isolierungen versprödet und gänzlich abgebröselt. Ein Maggi-Brühwürfel ist nichts dagegen. Hat sich ganz schön was angesammelt im Gehäuse. Aber was denkt sich der routinierte Bastler? Pah! Ein paar blanke Drähte, na und? Von wegen Kurzschluss und so. Da kann man sich später drum kümmern. Ging ja schließlich die letzten 19 Jahre auch gut. Ähm…Sie wissen ja was passiert, wenn ich eine Geschichte so einleite. Es ging natürlich NICHT gut.
Alles war wieder zusammengebaut. Ich startete den Wagen kurz für’s Umparken. Was steigt da plötzlich für ein Geruch in die Knubbelnase? Bohnen mit Zwiebeln? Nein, zu streng dafür. Verdammt, das raucht ja aus dem Spiegel! Motor aus, Zündung aus. Durchatmen. Verdammt, warum das jetzt? Ist doch alles richtig angeschlossen. Erstmal Zündung auf erste Stufe und Fenster runter gegen den Rauch. Oh ha. Fensterheber gehen nicht. Hm, kurzer Check. Spiegelverstellung, geht nicht. Schiebedach, geht nicht. Kofferaum, geht nicht auf. Innenlicht, geht nicht. Zentralverriegelung, geht nicht. Spiegel anklappen, geht! Motor, springt an! Blinker, geht nicht. Scheibenwischer, geht nicht. Verdammt, verdammt. Totales Durcheinander.
Statt erstmal ein Deeskalationsbier aufzumachen, konsultierte ich direkt das Internetz nach möglichen Ursachen. Da war von einem empfindlichen Komfortsteuergerät im Motorraum die Rede. Das raucht gern mal ab bei so einer Schockbehandlung durch Kurzschlüsse.
Mittlerweile war es dunkel geworden und nachdem ich die Steuergeräte allesamt mit fies vergnaddelten Steckerverriegelungen aus dieser Box im Motorraum rausoperiert hatte, verglich ich die aufgedruckten Teilenummern im Netz um auf deren Funktion zu schließen. Verdammt. Da wo bei allen anderen Motorversionen so ein Komfortsteuergerät sitzt, ist beim AMG keins. Also alles umsonst. Steuergeräte wieder reingeworfen, einmal umgerührt und hoffen, dass sich dadurch nicht ein weiterer Fehler eingeschlichen hat.
Nach ein paar panischen Fragen an hilfsbereite Mitmenschen in einschlägigen Foren habe ich erfahren, dass beim AMG alle Komfortfunktionen irgendwie dezentral gesteuert werden. Also eine gänzlich andere Architektur, nur für diese eine Motorvariante. Ey, Mercedes-Entwickler, geht’s noch? Nicht nur, dass die Kosten für diese Sonderlocke exorbitant sein mussten…sowas tut man doch nicht im Sinne der Wartungsfreundlichkeit. Ach, Moment mal, der E 55 entstand ja auf Basis der von Mercedes angelieferten Rohkarrossen in Handarbeit bei AMG in Großaspach. Ah ha! Also gut, dann eben liebe AMG-Entwickler, geht’s noch? Ja schon gut, ich schweife wieder ab.
Freundliche Menschen im Internetz empfahlen mir, einfach mal das, vom Spiegel aus gesehen, nächste Steuergerät zu prüfen. Das ist ein Türsteuergerät…richtig, zu finden in der Tür. Steuert Sitzmemory, Spiegel (Heizung, Abblendung, Verstellung, Anklappen), Zentralverriegelung und so Kram. Nach der Demontage der Türinnenverkleidung war das kleine Scheisserchen leicht zu finden.
Das Ding wurde umwoben von einem Duft der Marke „streng, etwas schwefelhaltig, mit nussigem Abgang, aber gewiss nicht blumig“. Das zaghafte Öffnen des Steuergeräts brachte dann Gewissheit. Das Grauen zeigte seine knusprige Fratze. Guckst du hier:
Diagnose: Platine irreparabel beschädigt durch Kurzschluss-Grillversuch des Besitzers (das bin wohl ich). Mensch, wozu gibt es eigentlich Sicherungen? So eine 5 Cent Sicherung hätte dieses Teil vor dem vorzeitigen Ableben bewahrt. Wenn ich jetzt zur freundlichen Mercedesvertretung gehe und nach Ersatz frage, wird mir ein schlecht gelaunter Servicemitarbeiter am Teiletresen nach 15 minütiger Suche in irgenwelchen Online-Katalogen plötzlich schelmisch grinsed mitteilen, dass dieses Steuergerät den Gegenwert eines US-Flugzeugträgers der Nimitz Klasse hat.
Also wird wieder das Internetz bemüht und auf der einschlägigen Auktionsplattform ein gebrauchtes Teil für eine niedrige zweistellige Summe erstanden.
Gesagt, getan. Teil angekommen, eingebaut. Und…tataa…es läuft alles wie geschmiert. Fenster, Zentralverriegelung, Sitzverstellung, Spiegel. Alles tacko. Begeisterung! Denn ich hatte mich schon mit Multimeter durch das Auto kriechen sehen um jedes dieser verdammten Steuergeräte durchzumessen. Der Wagen ist nämlich nur für Motorangelegenheiten diagnosefähig. Das jedes schadhafte Bauteil von einem Diagnosegerät mitsamt detaillierter Fehlerbeschreibung aufgespürt werden kann, wurde in der E-Klasse erst kurze Zeit später eingeführt.
Nach diesem Schrecken mit glücklichem Ende tat ich quasi als Belohnung etwas, was ich sonst nicht tue. Rumprollen! Der Vorbesitzer hat den Wagen mit der Option „Wegfall Typenbezeichnung“ bestellt, soll heißen, ohne den markanten Schriftzug am Heck. Dieser unterscheidet aber den Wagen von allen anderen dieser zuhauf rumfahrenden W210er in Sterlingsilber. Gund genug, einen Schriftsatz „E 55“ und „AMG“ zu bestellen und das Heck damit zu verzieren. Selbstverständlich in der gleichen Position wie ab Werk vorgegeben.
Jetzt fehlt zum Seelenheil nur noch eine Lösung für die AMG Felgen. Die sind allesamt am Felgenhorn arg korrodiert und der Lack blättert ab. Aber darüber schreibe ich ein anderes Mal.