
Geehrte Altblechliebhaber,
ich fühle mich bewogen, mal eine Geschichte zum kleinsten Mitglied des Fuhrparks zu erzählen. Es geht um den Mini Cooper S aus dem Baujahr 2002. Kompressor zwangsbeatment und mit dem Ausstattungspaket Chili. Der Kenner weiß, es handelt sich um eines der ersten Modelle des New Mini made by BMW. Die Entwicklung des Models stammt aus einer Zeit, in der BMW selbst etwas in der Identitätskrise gesteckt hat, was die Mehrmarkenstrategie angeht. Einerseits Rolls Royce und Landrover irgendwie weiterentwickeln und auf den Stand der Technik bringen, andererseits aber Deals über den Verbleib der Marke Bentley bei VW abschließen. Und dazwischen steht die komplette Neuentwicklung einer Retro-Ikone wie dem Morris/Rover Mini. Geschätzt und verehrt von einer sehr speziellen Klientel. Und nun muss der Wagen zum Volumenmodell werden, lieb gucken, damit ihn Frauen kaufen und irgendwie auch noch den Spagat schaffen, die Traditionalisten nicht zu enttäuschen. Ich finde: Mission accomplished. Das Experiment ist gelungen.
Ich stehe sonst eher nicht auf Fahrzeuge der Kategorie „Kleinwagen“. Aber einmal im Leben muss man eine Ausnahme machen.
Für mich hat dieser Wagen zwei Seiten. Freud und Leid. Einerseits ist das ein pures Spaßmobil mit richtig viel Dampf und als 7-Komma-sonstwas-Beschleunigungs-Karton sogar dazu geeignet, den Platzhirschen auf der linken Spur unerwartet mal richtig das Chili im con Carne zu zeigen. Da faucht der Kompressor beim Gasgeben dermaßen, das man denken muss, es setzt hinter dir ein Learjet zum Start an. Und dann dieses Go-Kart Kurvenräubern gepaart mit dem 6-Gang Getrag Getriebe (Achtung: Alliteration!). Ich bin mit diesem Wagen trotz einiger Versuche auf trockenem Asphalt noch nie aus einer Kurve geflogen. Phänomenal!
So, und jetzt kommt das „andererseits“…das Leiden. Die Verarbeitung ist teils lausig. Die Dinger waren in den ersten Jahren anfällig für alles, was kaputt gehen kann. Besonders das Midland-Getriebe der leistungsschwächeren Modelle hielt gerade mal 50Tkm bevor es im Innern aussah wie der Inhalt eines Napfs französischer Zwiebelsuppe. Minis hatten manchmal schon das 2. oder 3. Austauschgetriebe, bevor sie die 100Tkm erreicht haben. Gut, das blieb mir ja mit dem Alliterations-Getrag erspart. Rein mechanisch gesehen ist der 4-Zylinder, 1.6l Motor des ersten New Mini unzerstörbar. Der kommt aus einer Kooperation mit Chrysler, läuft als lang erprobtes Aggregat in zahllosen Modellen in Südamerka und ist z.B. auch im PT Cruiser verbaut. Auch die Karosserie hat entgegen anderer BMWs dieses Baujahrs keinerlei chronische Rostprobleme.
Aber wußten Sie, dass Dinge an Autos kaputt gehen können, deren Existenz man vorher gar nicht wahrgenommen hat? Diese Drumherum-Dinge. Beispiel gefällig? Der Ölmeßstab! Der ist seit ungefähr 100 Jahren bei keinem jemals hergestellten Auto auf dieser Welt ein Problem. Weil er meist aus Blech oder Stahl ist, mit einem Nöppel zum Ziehen oben dran. Fertig. Nicht so bei BMWs Mini. Da ist er aus Fieberglas. Warum? Das weiß keiner. Bestimmt auch kein BMW Produktingenieur. Überhaupt erst recht keiner von denen.
Das Ergebnis: Fieberglas altert mit der Zeit durch Kontakt mit Öl. Es bricht dann. Aber immer so, dass ein kleiner Stumpf beim Rausziehen in der Hand bleibt, der längere Rest jedoch einfach ins Peilstabrohr zurück fällt. Klöng, weg isser. Im Motor drinne. Was kann er bei laufendem Motor da anrichten? Wie messe ich jemals wieder den Ölstand? Kann ich den abgebrochenen Rest da wieder rausfischen? Was ist mit Öl, was mir aus dem jetzt offenen Loch den Motorraum versaut? Fragen über Fragen. Für solche Reparaturen habe ich trotz allgemeiner Schraubbegeisterung und Experimentierfreude schlicht keine Lust. Also Werkstatt beauftragt, Haßtiraden auf so einen Mist beim Servicetechniker abgelassen und 250 EUR für’s Rausoperieren und einen neuen Peilstab bezahlt. Fertig? Denkste! Geht noch weiter. 2 Tage später reißt der Bowdenzug des Motorhaubenöffners. Auch geil sowas. Mal ehrlich, ist Ihnen JEMALS sowas passiert? Beim Gaszug des Rasenmähers vielleicht, aber das zählt jetz mal nicht.
Wieder stellten sich mir die gleichen Fragen: Wie messe ich den Ölstand? Wie fülle ich Flüssigkeiten auf? Und wie geht sowas zerstörungsfrei zu reparieren? Der Mini hat nämlich praktischerweise zwei Motorhaubenschlösser. Eins links, eins rechts. Beide über den gleichen Bowdenzug betätigt. Und beide somit schön eingerastet und nie wieder zu Öffnen. Ja, der BMW BMW Produktingenieur…
Das Ende vom Leid: 550 EUR bezahlt, weil die Seitenteile, der Stoßfänger und jede Menge anderes Zeug abmontiert werden musste um ohne bleibende Schäden an die Schlösser zu kommen. Herrlich sowas.
Keine Sorge, ich entlasse Sie noch nicht von der Geschichte. Einen habe ich noch: Die Xenon-Scheinwerfer. Die sind nämlich in der Motorhaube montiert. Sie wissen jetzt was kommt. Die Brenner und überhaupt die Elektronik in solchen Scheinwerfern der früheren Bauart sind ja bekanntlich etwas empfindlicher. Wenn jetzt so ein Scheinwerfergehäuse in einer Motorhaube verschraubt ist und die Haube wie üblich regelmäßig zugeschlagen wird, welches ohnehin stoßempfindliche Bauteil geht dann ganz sicher eher früher als später kaputt? Genau, die sauteuren Scheinwerfer. Und selbstredend geht nicht bloß ein Brenner oder ein Steuergerät im Gehäuse kaputt, denn diese Teile wären ja leicht zu ersetzen. Nein, es geht die miserable Verkabelung im Scheinwerfergehäuse kaputt. DAS kann man nicht so leicht ersetzten. Ja, der BMW Produktingenieur…
Ich erspare an dieser Stelle die Beschreibung von Experimenten wie Ausbau der Gehäuse, Erwärmen der Gehäuse und deren Verklebung im Backofen, Trennen der Gehäuseteile durch Ausbohren von Nieten, Reparatur und Verlötung der Kabelbäume. Nein, ich bestellte gebrauchte Gehäuse im Netz und setzte die Leuchtmittel des alten Scheinwerfers um. Zwei neue Gehäuse beim Händler hätten etwa den Gegenwert eines amerikanischen Flugzeugträgers gehabt.
Ich könnte jetzt mindestens nochmal so viele Defekte an diesem Wagen aufzählen. Mache ich aber nicht. Ich will Sie ja nicht überstrapazieren. Die entscheidende Frage zum Abschluss ist doch: warum habe ich das Ding nicht schon längst in einer Kiesgrube abgefackelt? Nun ja, der emotionale Wert ist Schuld. Man hängt an diesem Wagen, gerade weil er eben Spaß macht, falls er mal läuft und mich den letzten Nerv gekostet hat.
Haben Sie auch so eine Hass-Liebe zu einem Fahrzeug? Geht ständig irgendwas kaputt? Schreiben Sie doch mal einen Kommentar zu Ihrem skurrilsten Defekt.