
Über das Chrylser Stratus Cabriolet aus dem Fuhrpark, liebe Altblechliebhaber,
habe ich bisher noch nicht so richtig berichtet. Für alle die es interessiert, hole ich das jetzt nach.
Hier habe ich anfangs mal kurz erklärt, was den besonderen Reiz dieses Fahrzeugs ausmacht. Für mich hat das immer mit sehr erschwinglicher Lebensqualität zu tun.
Der Karren ist ein rundes 2000er Baujahr und passt mit seinen 17 Lenzen prima in das Beuteschema eines Youngtimerliebhabers. Zweifelsohne ein Exot auf deutschen Straßen. Auch das macht es (also das Cabrio) besonders. Ich war ursprünglich auf der Suche nach einem sechzylindrigem BMW 3er Cabriolet (E46) frei nach dem Motto „Junge, kauf dir was Verlässliches für’s Leben“. Aber wie so oft im Leben, stand da auf der Münchener Automeile beim nächst besten Kiesplatzhändler eben dieses dunkelblaue Chrysler Ding.
Lang, sehr lang…aus erster Hand…etwas zuneigungsbedürftig…aber es sprach zu mir: „Lass mich nicht hier stehen! Rette mich vor dem Ungemach eines zweiten Lebens als tiefergelegtes Proletenmobil mit Bassbox im Kofferraum und Unterbodenbeleuchtung“. Was soll ich sagen? Gesagt, getan. Ich war noch nie gut darin, gesetzte Prioritäten zu halten.
Erschwerend kam hinzu, dass ich in Begleitung der Angetrauten war. Die ließ sich freilich nur zu etwas mit „Autos“ überreden, weil ich es als garantiert vernachlässigbare Zwischenstation auf dem Weg in ein Shoppingcenter verkauft habe, welches sie noch nicht kannte. Leidensgenossen wissen, dass so eine Besichtigung, Probefahrt und anschließende Kaufverhandlung mit allen anwesenden Generationen der osmanischen Verkäuferfamilie dann eben doch nicht ganz zu vernachlässigen ist…also zeitlich jetzt. Entsprechende Erklärungsnöte gegenüber der Angetrauten vorausgesetzt, wurde also der nächste Geldautomat angesteuert und der Kaufpreis bezahlt….gerade rechtzeitig, bevor Stresspickel entstanden.
Immer wieder bemerkenswert: Nach erfolgter und verkürzter Shoppingtour stand der Wagen frisch getüvt und zudem um die vereinbahrten Mängel beseitigt, zur Überführung bereit. Ganz klar, dass sowas mit dem seriösen Eifer der osmanischen Verkäufer zu begründen ist und nicht etwa mit unlauteren Geschäftsgebahren. Wie soll ich sagen? Man weiß ja mittlerweile, worauf man sich einläßt.
In diesem Fall wurden wir entlohnt mit einem zeitlosen Cabriolet, welches entgegen eines 3ers so gar nicht zum Straßenbild gehört. Der Stratus trägt zwar die gleiche Modellbezeichnung wie sein Bruder, die Mittelklasse Limousine, bekam aber eine ganz andere Plattform spendiert. Das macht den Wagen nahezu 50cm länger als das 3er Pendant und sogar zum drittlängsten jemals in Serie verkauften Cabriolet. Cool oder?
Wer mehr Fakten benötigt, dem seien ein Testbericht und eine Gebrauchtwagenberatung im Internetz empfohlen. Ganz unten im Beitrag habe ich noch ein paar Fotos vom Neuerwerb reingekippt.
Die Länge macht den Wagen herrlich reisetauglich. Einer ausgedehnten Fahrt zu viert steht nichts im Wege. Der riesen Kofferaum fasst weit über 350l Volumen und nimmt das Reisegepäck für einen Kurzurlaub locker auf. Möglich macht das Ganze ein fast 1m langer Verdeckkasten zwischen den Rücksitzen und dem Kofferaum. Hier verpieselt sich die elektrohydraulisch angetriebene Stoffmütze ohne irgendwo Platz abzuknapsen. Auf und Zu machen geht sogar während der Fahrt…also zumindest im Poser-Tempo vor dem Café des Heimatkaffs.
Absolut angesagt ist auch die gerade Linie bei geöffnetem Verdeck. Das macht die Kiste auch optisch schön lang. Am besten ist aber, dass kein Schnörkel und keine hochgezogene Heckpartie den Hintern pummelig wirken lassen. Die schlanke Linie bleibt aus jedem Blickwinkel erhalten. Sehr zeitlos, das Design. Asketisch, könnte man zudem sagen.
Die Ausstattung ist komplett und man vermisst nichts. Die Amis denken heute wie damals nur in Paketen. Da gibt es den kleinen Motor mit Buchhalterausstattung und den großen Motor mit Vollaustattung. Nix mit jede Extraschraube im Zubehörkatalog einzeln ankreuzen. Hier ist alles schon drin, was in dem Baujahr möglich und nötig war – selbst so Details wie eine eingenähte, beheizbare Glasscheibe für das Verdeck. Beim vielzitierten 3er wäre das zu der Zeit eine eingeklebte, Falten werfende, UV-empfindliche und erblindende Plastikscheibe gewesen.
Apropos Verdeck: Da das Gestänge im geöffneten Zustand komplett im Verdeckkasten verschwindet, braucht auch die mitgelieferte Persenning nicht zwangsläufig montiert werden.
Die Verarbeitung ist erwartungsgemäß typisch amerikanisch. Viel schwarzes Plastik, das ein oder andere Knarzen im Gebälg ist durchaus zu vernehmen. Der 2,5l Sechszylinder, gepaart mit einer Viergangautomatik, reißt keinen Heering vom Teller, klingt aber wenigstens gut. Und das nicht, weil der Auspuff bis zum Exzess irgendwie sounddesigned wurde, sodern weil der Motor eben so klingt.
Genau genommen nimmt dieses KFZ wegen des geringen Tempraments aber den Platz der Wanderdüne im Fuhrpark ein. Das lehrt also Enthaltsamkeit beim Gasfuß und spricht dafür, auf Ausfahrten lieber die Landschaft wirken zu lassen.
Die ein oder anderen von den Ingenieuren als unwichtig erachteten Teile, wie z.B. Haltebleche für Kabel oder auch die Schrauben vom Sitzgestell, sind eher günstig ausgelegt und haben somit Flugrost angesetzt. Wer hier eine einwandfreie Optik wiederherstellen möchte, sollte all diese Kleinigkeiten tauschen. Alle anderen dehnen einfach den Begriff „Patina“ etwas. So habe ich wenigstens immer mal Grund, irgendwas an dem sonst so unkomplizierten Gefährt zu basteln.
Hingegen ist die Karosserie komplett rostlos, wo ein gleich alter 3er schon munter an den Radläufen gammeln würde. Mindestens. Auch der Antrieb wird vermutlich länger halten, als das der Klimawandel offenes Fahren zulassen wird.
Alles in allem ist dieser Spontankauf also ein lässiger Cruiser, ganz so wie man es von einem Wagen amerikanischer Herkunft erwarten würde. Dummerweise. Denn so ist die Gefahr für weitere Spontankäufe wieder mal nicht entschärft worden. Mir gehen auch langsam die Geschichten aus, mit denen die Allerwerteste…äh…Angetraute weiterhin zu solchen Aktionen gelockt werden könnte.